Full text: St. Ingberter Anzeiger

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Amtliches Organ des königl. Amtsgerichts St. Ingbert. 
GSt⸗ Jugrerter Angeige erscheint woͤchentlich fünfmal: Am Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag und Sonntag; 2 mal wöoͤchentlich mit Unterhaltungt 
u und Sonnags mit achtseitiger illustrirter eg Das Blau kofiel vierteljührlich 1⸗ 60 — einschließlich Trägerlohn; durch die Post bezogen 1A 75 3 einschlie ßlich 
J Zustellungsgebuhr. Die Emruckungsgebühr fur die Igespaltene Sarmondzeile oder deren Raum belrägt bei Inseraten aus der Pfalz 10 3, bei außerpfälzischen und solchen 
auf welche die Expedition Auskunft ertheilt, 18 , Neklamen 80 48. Bei 4maliger Einrückung wird nur dreimalige berechnet. 
23. Jahrg. 
E 18. 
Dienstag, 24. Januar 1888. 
Deutsjches Reich. 
Berlin, 21. Jan. Das Wehrpflicht⸗ 
etz ist in der Reichstagskommission in zwei 
ihungen in erster Lesung erledigt und ohne wesent⸗ 
he Veränderungen angenommen worden, die meisten 
aragraphen einstimmig. Die Verhandlungen untec⸗ 
sieden fich sehr bemerkenswerth von denjenigen 
Septenatskommission, wo wochenlang um jeden 
azelnen Vorschlag der Regierung gestritten wurde. 
ach dem Verlaufe der Kommissionsberathung wird 
an wohl auch im Plenum so gut wie einstimmige 
nnahme der Vorlage erwarten dürfen. In den 
ichsten Tagen wird nun freilich die Rechnung für 
s Geset präsentiert werden und man ist schon 
rrauf vorbereitet, daß sie eine sehr ansehnliche 
ohe erreichen wird. Sie soll nahezu an 200 
dillionen Mark heranreichen, die natürlich als ein⸗ 
alige außerordentliche Ausgade durch eine An- 
ihe beschafft werden müssen. Die Anforderung ist 
reilich, zumal nachdem erst in dem vorigen Früh⸗ 
hre 176 Millionen für außerordentliche militärische 
wecke, Festungsbauten, strategische Bahnen, Er— 
inzung des. Kriegsmaterials u. dergl. aufgewendet 
orden sind, eine sehr bedeutende, aber nur die 
Ibsiverständliche Folge des neuen Wehrpflichtge- 
zes und der durch die heutige Weltlage auferlegten 
otwendigkeit, für den Ernstfall die außerste Wehr 
aft aufzubieten und rechtzeitig die Vorbereitungen 
iefür zu treffen. Mit dieser neuen Aufwendung 
iird man dann aber die Vervöllstandigung und 
isrüstung unserer Wehrkraft für absehbare Zeit 
abgeschlossen ansehen dürfen Wenn uns der 
cieden erhaiten bleibt, so dürfte daran die Ent- 
dlossenheit und Energie, womit das deutsche Reich 
ne Wehrkraft allen Gefahren gegenüber in volle 
ereitschaft gesetzt hat, zum großen Teile das Ver⸗ 
enst haben. 
Die „Köln. Ztg.“ schreibt: Wenn sich immer 
ch die Abschätzungen über die Kosten der 
»uen Wehrvorlage, mit welcher selbstver— 
indlich noch sehr viele Ausrüstungsgegenstände 
id Anschaffungen in Verbindung stehen, die in 
n Rahmen des Gesetzes nicht hinein gehören, in 
»ummen unter zweihundert Millionen bewegen, so 
mdies, wie wir schon erwähnt haben, ein Irrthum, 
em eine starke Enttäuschung bevorsteht. Wir können 
ar unsere Bemerkung wiederholen, daß die durch 
nese Mehrrüstungen erweiterte Sicherung eines 
dücklichen Kriegsausgangs und — was am meisten 
hoffen ist — des Frie dens durch die Mehr⸗ 
isgaben nicht zu theuer erkauft sein wird.“ 
Der Berliner Korrespondent des „Standard“ 
ermittelt seinem Blatte eine aus einer zuver⸗ 
issigen deutschen diplomatischen Quelle stammende 
uslassung über die gegenwärtige Lage, worin es 
nter anderm heißt: „Alle Gerüchte über eine 
enderung der Anschauungen und Haltung Deuisch 
einds zugunsten Rußlands sind durchaus unrichtig. 
asere Haltung ist genau dieselbe, wie sie es seit 
Nonaten gewesen ist und unsere Beziehungen und 
ser Bündniß mit Oelterreich Ungarn sind absolut 
verändert. Die Initiative ist nach wie vor letze 
ter Macht, als der meistbetheiligten. überlassen. 
zas Rußland betrifft, so sind die vom Czaren an 
»n Gouverneur von Moskau gerichteten Friedens⸗ 
orte allerdings mit Befriedigung zu bewillkommen, 
»nillein sie haben noch keinen Wechsel zugunsten des 
Friedens herbeigeführt, aus dem einfachen Grunde, 
Rußland noch keinen einzigen Mann von der 
e zurückgezogen hat und fortfährt, Truppen 
olen und Bessarabien zu konzentriren. Betreffs 
Zulgariens haben während der letzten sechs Wochen 
eine Unterbandlungen statigefunden. Rußland 
hweigt und hat weder eine Note an die Machte 
zerichtet, noch eine empfangen. Die ganze Lage 
leibi demnach so unbestimmt, wie fie es seit langer 
Zeit ist, aber ob diese Unbestimmtheit noch lange 
Fridauern kann, wird sehr bezweifelt, nicht allein 
n Berlin, sondern auch in Wien und St. Peters⸗ 
urg. 
Berlin, 21. Jan. Die Ergänzung des deut⸗ 
chen und des österreichischen Heeres in einem Kriegs⸗ 
alle ist derart fesistehend, daß sogar die ordre de 
atailie bereits jestgestellt ist. Man theilt den 
„M. N. N.“ sogar mit, daß als Oberkommandant 
jer vereinigten Armeen König Albert von Sachsen 
n Aussicht genommen ist. Ein Armeekorps wird 
on Erzherzog Albrecht von Oesterreich kommandiert, 
essen Generalstabschef Graf Waldersee sein wird. 
Berlin, 21. Jan. Ueber die Rechtsver⸗ 
Jältnisse in den deutschen Schutzgebieten ging dem 
seichssiage eine Novelle zu dem Gesetz vom 17. 
April 1886 zu. Die Haupipunkte darin sind, daß 
owohl Auslander, welche sich dauernd im Schutz 
jedieie niedergelassen haben, als auch Eingeborene 
er Reichsangehörigkeit im Wege der Naturalisation 
rwerben koönnen. Die im Schutzgebiete Niederge⸗ 
assenen können in ihrem Heimathsstaate nicht zu 
itellen Steuern herangezogen werden. Der Auf- 
nthalt im Schutzgebiete gilt nicht als solcher in der 
Fremde; es kann daher die Staatsangehörigkeit in 
Folge der langen Dauer desselben nie verloren 
sehen. Die erkannten Geldstrafen verbleiben fortan 
zen betreffenden Gesellschaften. Auch sonst werden 
n Straf- und Gerichtssachen sehr dehnbare und 
veitgehende Verfügungen getroffen, die kaum die 
gilligung des Reichstages finden dürften. Einer 
aiserlichen Verordnung bleibt es endlich vorbehalten, 
Is Berufungs⸗ und Beschwerdegericht in Zivil . 
vie in Strafsachen ein deutsches Konsulargericht 
der einen Gerichtshof im Schutzgebiet zu bestim⸗ 
nen und über die Besetzung des Gerichtshofes so— 
vie über das Verfahren in Berufs⸗- und Beschwerde ⸗ 
jachen Anordnungen zu treffen. 
Berlin, 22. Jan. Die Reichstagscommission 
ür den Gesetzentwurf über die Beschränkung der 
Deffentlichkeit von Gerichsvechandlungen beschloß, 
dem 8 178, Abs. 1. des Gerichtsverfassungsgesetzes 
olgende Fassung zu geben: „Ueber die Ausschließ⸗ 
ing der Diffenilichkeit wird in nicht öffentlicher 
Sihung verhandelt, sofern eine der bei der Ver· 
Jandlung betheiligten Personen dies beantragt oder 
Jas Gericht die nichtöffentliche Verhandlung für an⸗ 
gemessen erachtet. Bei der Verkündung des Be⸗ 
chlusses ist anzugeben, ob die Ausschließung aus 
HFruünden der Sitllichkeit oder der öffentlichen Ord⸗ 
aung und insbesondere der öffentlichen Gefährdung 
der Staatssicherheit erfolgt.“ 
Ausland. 
Paris, 21. Jan. Dem „Matin“ wird aus 
Toulon vom gestrigen gemeldet: „Auf Befehl von 
Zaris hält das Mittelmeergeschwader sich zum 
luslaufen bereit. Lebhafte Thätigkeit hertscht im 
Irsenal; die Ausrüstung der verfügbaren Panzer 
hiffe und Kreuzer sind eifrig betrieben. Die Ar⸗ 
kiter sind auch in Zusatzstunden beschäftigt“. Das 
Petit Journat“ meldet aus Cherbourg: „Laut 
eheimer Weisungen vom Marineministerium wer⸗ 
en Vorbereitungen für den Fall, daß sich der 
Florentiner Zwischenfall verschlimmern sollte, gee 
roff⸗ n. Auch wurde Befrehl gegeben, die Aus⸗ 
ustung der nördlichen Flottendivifion zu beschleu⸗ 
nigen und sofort die Reservepanzerschiffe „Victo⸗ 
ieuse“ und „Galifoniere“ auszurüsten. Sodann 
coll eifrig an der Küstenvertheidigung am Aermel⸗ 
neer gearbeitet werden. Man erwartet Befehle 
zur Ausrüstung von Schiffen der erlsten Abtheilung 
der Reserve.“ 
Zürich, 28. Jan. Bei der gestrigen Er⸗ 
satzwahl zum Nationalrath wurde anstatt des in 
den Bundesrath eingetretenen Nationalraths Herten⸗ 
stein ein Candidal der Liberalen, Bürkli, mit 9899 
Stimmen gewählt. Der Arbeitercandidat erhielt 
7370 Stimmen. 
San Remo, 23. Jan. Die Zeitungsnach- 
richten, der Kronprinz mache seine Spazier⸗ 
cahrten in Begleitung berittener Gensdarmen, find 
erfunden. Die Lebensweise des Kronprinzen 
st vielmehr ganz unvberändert geblieben. 
Lokale und pfaͤlzische Nachrichten. 
* St. Ingbert, 24. Januar. Wie wir 
Ibren, hat Herr Oskar Krämer von hier der 
diakonissen-Anstalt in Speyer in jüngster 
Zeit das ansehnliche Geschenk von 500 Mark zu⸗ 
gewendet. 
pirmasens, 28. Jat. (P. A.) Wie 
ins soeben mitgetheilt wurde, ist die hiesige Latein⸗ 
chule der herrschenden Kinderkrankheiten wegen 
geschlossen worden. 
AgIn Lauterekken beabsichtigt man einen 
Vorschußverein zu gründen. 
andau, 21. Jan. Die Mitgliederzahl 
der hiesigen Volksbank hat im abgelaufenen Jahre 
wieder einen außerordentlich starken Zuwachs er⸗ 
fahren; sie ist von 1249 auf 1410 gestiegen. 
Vermijchtes. 
München. Der dem Landtag zugegangene 
Besetz-Entwurf zur Abänderung des Gebühren-Ge⸗ 
etzes enthält in Art. 1 und 2 den Vorschlag, die 
zurch die Gebührengesetz-Novelle von 1886 einge⸗ 
ührie Ermäßigung der Mutationss und Hypothek⸗ 
»estellungsgebühr für Verträge mit einem Werth⸗ 
jegenstand bis zu 300 Mk. (Art. 113 Ziff. 8 und 
In. i21 des Gebühren · Gesetzes) auf Verträge mit 
inem Werihgegenstand bis zu 600 Mk. auszudehnen. 
Art. 1 enthaͤlt weiter die Neuerung, daß bei Ver⸗ 
rägen zwischen Ascendenten und Descendenten der 
betheiligten Ehegattten und Verlobten, den Letzteren 
die gleiche Beborzugung hinsichtlich der Berechnung 
der Gebühr gewährt wird wie diesen selbst. Eine 
weitere Erleichterung in Art. 3 bezieht sich auf die 
Versteigerungsgebühren und bezwedt, die forstwirth⸗ 
chaftlichen Producte, bei deren Verwerthung die zu 
entrichtende Gebüͤhr die Concurrenz mit den staat- 
ichen Forstprodulten etwas erschweren machte, von 
ener Gebuͤhr zu befreien; die in Art. 4 vorge⸗ 
chlagenen AÄendernngen der Art. 229 Abs. 1 und 
24 Abs. 1des Gebühren Gesetzes stellen sich ledig⸗ 
lich als eine Folge der Aufhebungsgebühr für forst⸗ 
wirthschaftliche Producke dar. Was den zu ge—⸗ 
värtigenden Ausfall an staatlichen Gebühren an⸗ 
jangt, so läßt sich derselbe nach den gepflogenen 
Erhebungen auf 5—600,000 Mk. veranschlagen. 
Muünchen, 22. Jan. Gestern starb hier 
m 63. Lebensjahr an einem Herzleiden der Gene⸗ 
Allieutenant und Premierlieutenant der Leibgarde 
der Hartschiere August Frhr. v. Lerchenfeld-⸗Aham. 
Der Verstorbene hat den Feldzug gegen Frankreich 
870—571 mitgemacht und war Inhaber des 
Militärverdienstordens, des Verdienstordens der 
haherischen Krone, des Michaelsordens, der Kriegs⸗ 
smönze 187071 (aus Bronze), des Dienst⸗