Full text: St. Ingberter Anzeiger

versetzt und denselben später in den Hafen gewor— 
fen. Ein vorausgegangener kleiner Disput soll die 
Veranlassung gewesen sein. (G. A.) 
— Kirchheimbolanden, 12. Okt. Gestern 
Abend nach 7 Uhr brachte die Wittwe Heilmann, 
noch ein Fenster zur Rparatur zu Herrn Glaser 
Friedrich Siegler im Hause des Wirthes J. Schlosser. 
Beim Fortgehen stürzte die Frau die dunkle Treppe 
hinab und zog sich außer schweren Verletzungen am 
Kopfe einen Halswirbelbruch zu, so daß sie um 9 
Uhr im Distriktsktrankenhaus, wohin verbracht wurde, 
hereits verstarb. Die bedauernswerthe Frau, 
welche im Alter von 54 Jahren stand, vor kaum 
Jahresfrist ihren Mann verlor und sich für Er— 
nährung ihrer Kinder abmühte, hinterläßt zwei 
noch unerzogene Kinder als Waisen. (N. B. 83.) 
— Eine frivole Beleidigung fand letzten Mitt⸗ 
woch vor dem Schöffengericht in Kirchheim— 
bolanden ihre Sühne. Der 13 Jahre alte 
Sohn des Maurers Ludwig Beck von Albis— 
he im ging nämlich am 8. August d. J. auf Ge⸗ 
heiß seines Vaters in den Schulsaal des Lehrers 
Müsel in Albisheim und rief dem Lehrer zu: 
„Einen schönen Gruß von meinem Vater und Sie 
jollen nicht so kreischen, die Leut' hören's ja auf 
der Gaß!“ Der Sohn Beck wurde deshalb zu 
einer Geldstrafe von 3 Mark, der Vater desselben, 
als der eigentliche Haliptschuldige, aber zu einer 
Befängnißstrafe von acht Tagen ver—⸗ 
urt heilt. — 
Prozeß Geiler. 
GFortsetzung.) 
Die Stellung des Angeschuldigten verbot ihm 
aatürlich vornherein, sein Verhältniß zu diesem 
Blatte zu offenbaren. Das Pfälzische Volksblatt 
brachte bei geringer Auflage dera Angeschuldigten 
schwere Verluste und Opfer für die ganze Zeit 
vom Februar 1885 bis zum Mai laufenden Jahres 
in annähernd gleichbleibendem Verhältnisse. Diese 
Verluste für Geiler beliefen sich für diese Zeit nach 
Schätzung Worthoffs auf etwa 15000 Mtk. und 
Blenks auf etwa 20000 Mk. 
Unterm 29. Mai laufenden Jahres gab denn 
auch der Angeschuldigte die Erklärung ab, der Ge⸗ 
samtverlust des Blattes könne 20,000 Mk. be⸗ 
tragen, die er teilweise mit seinem Gehalt, jährlich 
3180 Mk., gedeckt habe. Definitive Erklärung be— 
hielt er sich vor bis zur Feststellung des Gesamt⸗ 
defizits des Vermögens des Kirchenbauvereins. In 
einem Schreiben an den k. Untersuchungsrichter 
pom 6. Juli berechnet er die Ausgaben für das 
Pfälzische Volksblatt auf ca. 41000 Mk., die Ein⸗ 
nahmen auf 16000 Mk. und hiernach das Defizit 
auf ca. 25000 Mk. 
Der Angeschuldigte erkaufte laut Akt des k. No— 
zar Vogel hier vom 24. September 1887 von 
dem Geschäftsmanne Graf hier ein Wohnhaus zu 
15,000 Mk. Unterm 15. Oktober darauf leistete 
er eine Anzahlung von 7500 Mk. hierauf, am 14. 
Dezember darauf zahlte er den Rest nebst Kosten 
mit 7853 Mk. aus einem an diesem Tage beur⸗ 
kundeten Darlehen der Meininger Bank in Höhe 
von 8000 Mk. 
Die erste Anzahlung fiel allgemein auf bei der 
bekannten Mittellosigkeit, bisherigen schlimmen Ver⸗ 
mögenslage und der bedeutende Mittel beanspruchen⸗ 
den ölonomischen Gebahrung des Haushalts des 
Angeschuldigten. Zunächst erklärte der Angeschul⸗ 
digte, er habe zu dieser Anzahlung ein Darlehen 
der Beamtenkreditbank in München in Höhe von 
6000 Mk. vom Jahre 1886 gegen Verpfändung 
zweier Lebensversicherungs⸗Policen verwendet: der 
Rest von 1500 Mk. konnte von ihm den Geldern 
des Kirchenbauvereins oder des katholischen Lese⸗ 
bereins, dessen erster Vorstand er ebenfalls war, 
entnommen worden sein. Unterm 29. Mai kam 
die neue Erklärung, die 78500 Mk. seien größten⸗ 
leils mit den Geldern des Kirchenbauvereins be⸗ 
zahlt, der Rest aus dem besagten Darlehen von 
6000 Mark, mit dem eigenthümlichen Beisatze: 
„denn sonst müßte ich sagen, daß ich Anzahlung 
pon 7500 Mk. vollständig aus der Kirchenbauver⸗ 
einskafse geleistet hätte.“ Schließlich am 27. Juli 
gab er zu, von einer Geldaufnahme bei der Filiale 
der Pfälzischen Bank und Kirchenbauvereinsgeldern 
am 15. Oklober 1887 in Höhe von 83500 Mark 
habe er 7490 Mk. zu dieser Anzahlung auf sein 
Haus verwendet. Der Bericht der Revisionskom⸗ 
mission des Kirchenbaubereinsausschusses über die 
Verwaltung des Vereinsvermögens des Kirchenbau⸗ 
vereins pom 17. Juli 1888 entbält über den Ver— 
nögensstand am 17. Mai 1888 folgende Aufstel- 
ungen: Gesammt-Einnahme des Vereins 680,806 
Mark 22 Pfg., Gesammt-Ausgaben des Vereins 
352,108 Mk. 97 Pfg., Baarbestand 28,197 Mt. 
25 Pfg., dazu deponirte Werthpapiere mit 153,000 
Mark und Sammelgelder bei der Verzinsungskasse 
25, 411 Mk. 38 Pfg., hiernach betrug das vor⸗ 
sandene Gesammtvermögen 206,608 Mtk. 63 Pfg 
der Angeschuldigte hat nun in der Zeit vom 24 
Dezember 1884 bis 24. April 1888 bei den hie— 
igen Banken 60 Posten bezogen mit zusammen 
28,942 Mk. 20 Pfg., ohne Nachweis dafür er—⸗ 
ringen zu können, daß diese Summen auch für 
dirchenbauzwecke bezw. für den Verein verwendet 
vorden sind. 
Laut detaillirtem Nachweise hat derselbe für 
Zereinszwecke verausgabt — 8,222 Mk. 42 Pfg., 
o daß nav Abgleichung dieser Summen sich in 
der Vereinsgeldrechnung ein Manko ergibt in Höhe 
yon 25,719 Mk. 78 Pf. Nach dereinbegriffenen Ab- 
ꝛechnung über den Lokallooseverschleiß des Kirchen 
— 
»er Hand des Angeschuldigten 4716 Loose, deren 
Verkauf er bethätigte und deren Erlös er verein— 
nahmte, ohne solchen dem Kirchenbauvereine, der 
hierfür bei Rösl belastet wurde, zuzuführen. Diese 
doose ergeben nach Abzug von 20 Proz. 948 
Stück Freiloose, einen Erlös von 7546 Mk. Nach 
Abzug einer weitern durch kgl. Landgerichtsrath 
Zaumann als Erlss eines Theiles dieser Loose er⸗ 
egten bei dem Bankhause Böcking, Karcher und 
Fie. eingezahlten Summe von 340 Mk. verbleiben 
7206 Mtk. 
In seinem Gegenberichie hiezu vom 25. Juli 
1888 hat der Angeklagte gegen das Resultat der 
Beldabrechnung der Revisionskommission und das 
Defizit von 25,719 Mk. 78 Pfg. keine Erinner— 
ung, dagegen verschiedene Einwendungen gegen die 
Berechnung und Höhe des Fehlbetrags aus dem 
von ihm geleiteten Lokallooseverschleiße. Abgesehen 
yon den drei unbedeutenden Posten: 128 Mk. 50 
Pfennig, 16 und 63 Mk. verlangt er nament⸗ 
ich weitere Abzüge an jenem Fehlbetrage von 
7206 Mark und zwar für Auslagen 200 
MNk. und namentlich 420 bis 1000 Mk. für 
och vorhandene Ausstände aus dem Looseverkaufe, 
ihne daß er indessen im Stande wäre, solche nach— 
uweisen, so daß er zur Schlußaufstellung gelangt, 
daß nuch etwa 5798 Mk. 28 Pfg. aus verkauften 
doosen in seinen Händen verblieben seien. Mit 
Annahme dieser jedenfalls zu nieder gegriffenen 
Summe von 5798 Mk. 28 Pfg. würde sich mit 
»em Fehlbetrage der Geldrechnung ad 25,719 M. 
78 Pfg. das Gesammtdefizit der Vereinskasse auf 
31,3518 Mk. 6 Pfg. stellen. Dieser Summe steht 
gegenüber die vom Angeschuldigten zugestandent 
Verwendung von Geldern des Kirchenbauvereins, 
ür das „Pfälzische Volksblatt“ ca. 25,000 Marf 
ind für sein Haus 7490 Mark, zusammen ca. 
32,490 Mark. Diese Zusammenstellung drängt 
die Annahme auf, daß der Angeschuldigte noch mehr 
Gelder des Kirchenbauvereins vermuthlich aus dem 
dokallooseverschleiße ihrem Zwecke entzogen hat nach 
der Aufstellung der Revisionskommission und bestehl 
veiter der dringendste Verdacht, daß solche Gelder 
zuch zu persönlichen Ausgaben des Angeschuldigten 
und seiner Familie widerrechtlich verwendet wurden; 
indessen hat die Voruntersuchung hiefür keine be— 
veiskräftigen Anhaltspunkte bei dem Chaos der Ge⸗ 
chäfts- und Rechnungsführung erbringen können. 
Der Angeschuldigte macht geltend, er habe sich zu 
diesen Verfügungen über die Gelder des Kirchen⸗ 
haubereins berechtigt gehalten, mit Berufung auf 
inderweite willkürliche Disvpositionen über solche 
Belder. 
Freilich hat derselbe ganz eigenmächtig ohne 
ede Kenntniß und Autorisirung des Vereinsaus⸗ 
chusses in mehreren Fällen Gelder des Vereins in 
Beträgen bis zu 5000 Mark an dritte Personen, 
Mitglieder des Kirchenbauvereins, in Form von 
Darlehen hinausgegeben, auch dem Leseverein in 
einer Eigenschaft als dessen erster Vorstand dar⸗ 
ehensweise aus Kirchenbauvereinsgeldern groͤßere 
ZSummen zum Baue des Vereinshauses zugewendet, 
zie theilweise wieder zurückerstattet sind. 
Diese Dispositionen sind indessen nicht zum 
Rachtheil des Kirchenbauvereins erfolgt, erfuhren 
auch nachträglich Indemnität, begründeten keine 
jersönlichen Vortheile für den Angeschuldigten, 
iberhaupt keine rechtswidrige Zueignung dieser 
Felder in seiner Verson. AMehnlichen Charakter 
trägt die Anweisung der 3100 Mt. zut 
durch Pfarrer Lorenz an den Vorschuhtn deh 
ders aber verhält es sich mit den 
von Kirchenbauvereinsgeldern für das — 
liches Unternehmen bildende „Pf. Vollehl —8 
zur Anzahlung auf sein Haus; hier b F in 
personlichen Schulden gezahlt, Gelder — 2 
in seinem Nutzen verwendet. Der 
wußte und mußte wissen, daß diese —* de 
das „Pf. Volksbl.“ unwiederbringlich * 
waren, zumal er sich alsbald darüber klar dp 
mußte, daß er für dieses Unternehmen qut 
eigene Kasse angewiesen sei. Ein Rückerseh 
iehungsweise ein späterer möglicher Ertrage.u. 
schuß zur Deckung all' dieser Zuschüsse war 
terdings undenkhar; solche Annahme und —* 
übrigens für die strafrechtliche Beurtheilung 
irrelevant. Das Gleiche gilt bezüglich —9 
wendung der 7490 Mt. für sein Haus. g 
träglich erlangte der Kirchenbauverein für seinb 
sammtguthaben theilweise Sicherheit zu dem g 
werthlosen Schuldschein für 12,000 Mt. mit! 
pfändung der beiden Lebensversicherungspolice, 
dem ihm der Angeschuldigte auf sein Hauß 
weiter Stelle — nach der Meininger vanl 
ibre Forderung von 8000 Mt. und die zu —156 
Mark evaluirten Zinsen und Kosten — Hydo 
in Höhe von 1000 Mk. bestellte, welche Sn 
keineswegs ganz zum Zuge kommt. Wiitere d 
ung oder Befriedigung wird dem Vereine be 
Konkurrenz weiterer Gläubiger, wie die Beam 
kreditbank, und der Geringwerthigkeit des Modüt 
vermögens nicht werden, so daß er mindeß 
20,000 Mk. einbüßt. 
Diese Verwendungen von Kirchenbauver 
geldern waren durchaus widerrechtliche Zueignun— 
Der Angeschuldigte wußte nur zu gut, daßen 
ein einziges Mitglied des Vereinsausschusses h 
seine Zustimmung gegeben hätte, angesichts so 
persönlichen Kreditlosigkeit, der Gewißh it des* 
lustes oder doch höchsten Gefahr eines solchen, 
gesichts der Zweckbestimmung dieser Gelder. 
hrer Verwendung. 
Bliebe der kleinste Zweifel an dem Bewuß 
der Rechlswidrigkeit dieser Handlungsweise 
Seiten des Angeschuldigten übrig, so müßt⸗ 
chwinden bei Vorhalt der größten Geheimhalt 
dieser Operationen, seiner wohlberechneten Best 
tungen, Leugnungsversuchen und Ausflüchten hi 
aamentlich aber auch der sonst unmotivirten 9 
anhaltung der Rechnungsstellung. 
Hiernach erscheint der Angeschuldigte hinteich 
verdächtig, in der Zeit von Dezember 1884 
Mai 1888 in seiner Eigenschaft als erster Vorst 
der des Kirchenbauvereins Kaiserslautern in 
Jesetzter Handlung in Ausführung eines einheillh. 
kntschlusses in seinem Gewahr und seiner * 
ügungsgewalt befindliche Gelder dieses Verein— 
Besammibetrage von mindestens 32000 Mau 
rechtswidrig zugeeignet zu haben. Diese Handi— 
begründet ein Vergehen der Unterschlagung gen 
z 246 Reichsstrafgesetzbuches, zu dessen Abuch 
ung nach 88 78 G.zst.-G. 7. und 8 St. Pta 
die hiesige Strafkammer zuständig ist. 
Fluchtgefahr besteht fort. 
Ich beantrage hiernach: Eröffnung des 
derfahrens gegen den Angeschuldigten weger 
porbezeichneten Vergehens der Unterschlagung 
hiesiger Strafkammer und zugleich Anordnung 
Fortdauer der Untersuchungshaft. 
Als Beweismittel bezeichne ich: 
J. Die Zeugen: 1) Nitolaus Kinßzel 
Jahre alt, Hospitalrechner, Eisendatnsten 
Bierbrauer Mayer, 2) Georg Hoffmann, 6 
—A 00 pe 
Pfarrer, Heinrich Lorenz, 39 J a. wen 
Stadtpfarrer, 5) Franz Wilhelm Jaran 
zandgerichtsrath, 6) J. Schlabeck, 47 J. a. — 
5) Vudwig Wolfram. 83 J. a., Geschäf 
8) Karl Ferdinand Worthoff, 48 J. a. b 
list, Karisstraße 11, 9) Mich. Blenk, 8 J 
Buchdruckereibefitzer, Marktstraße 88, 10 b 
Zimmermann, 28 J. a., Buchdauereibestten. 
ate 13. 11), Nor Eid, 10 J. 4, Fonpr 
Morstraße 10. 12) deintich Graf, 8 Jkze 
chäftsmann, 13) Ferdinand Pachmayr, tg in ⸗ 
gerichtsrath und Untersuchungsrichter. mes 
jerslautern wohnhaft. II. Schriftstüde —58* 
uten des Kirchenbauvereins, Die 7 * 
des Vereinsausschusses. die Protololl u 
dirchenbauvereins und des Centrumsberein —* 
autern. die Belege zur Rechnungsstellung