Full text: St. Ingberter Anzeiger

gebracht werden, während jetzt noch das Packetporto nach Distance- 
fätzen . 10 zu 10 Meilen ꝛc. erhoben wird· — 
Es vestätigt sich, daß Seitens der preußischen Rtegierung der 
Ausbau der Mosel ba hen Am Auschlußan eine neue Rhein⸗ 
uͤberbrücküng in Aussicht genommen ist. Die Ausführung ist be— 
sonders dem entschiedenen Verlangen der Militärbehörden zu dan⸗ 
ken, welche die strategische Nothwendigkeit der Bahn darlegten. 
Die schwierigen und umfangreichen Vorarbeiten für das de— 
finitibe Münzgesenz werden einer Mittheilung der „M. 3.“ 
zufolge, im Reichskanzleramte mit großem Eifer betrieben, so daß 
die Vorlegung des Gesetzentwurfes in der nächsten Session des 
Reichsstages erwartet werden kann. 
* Die „Sp. Ztig.“ fchreibt: Mit einem Ausspruch Josef de 
Maistre's beginnt ein Artikel der „Republique françgaise“, des 
Blattes, das doch seit der französischen Präsidialbotschaft man als 
eine Art von Moniteur zu Rathe ziehen wird. Denn, wenn das 
„Bien Public“ uns sagen „könnte“, was der Präsident gestern 
gedacht haben „möchte“, so erfahren wir aus Gambetta's Organ 
unzweifelhaft, was Herr Thiers morgen oder übermorgen wird 
denken müssen. 
:Man hat, sagt dort de Maistre, der französischen Nation oft 
ihren übertriebenen Stolz vorgeworfen, aber immerhin wird es 
gut sein, daß Frankreichs Volk sich mit der Bedeutung seiner Roce 
erfüllt hat; denn Frankreich hat die Bestimmung,, über alle Theile 
bon Europa dieselbe Subrematie auszuüben, wie Europa sie über 
die anderen Theile des Weltalls ausübt. Und wenn unglücklicher 
Weise die franzöfische Nation die Erfordernisse ihrer Sendung ver— 
gessen sollte, so würde die Welt daran, daß ein anderes Volk ihre 
Stelle einzunehmen versuchen wollte, unendlich verlieren. Frank⸗ 
reichs politische Action ist in der That für Europa am allerge⸗ 
deihlichsten, weil sie ausreicht, um das allgemeine Gleichgewicht 
herzustellen und sie diefem zu präjudiciren nicht vermöchte, da sie 
dasselbe in fühlbarer Weise nicht alteriꝛen kann. 
Die „Rpublique française“, Gambetta's Blatt, erinnert an 
dieses Gutachten Josef de Maistre's. Sie will aber darin keine 
Genugthuung der Eigenliebe suchen. Sie will nur einfach wieder⸗ 
holen, daß Frankreich ebensowenig sich der Fürsorge für Europa 
entäußern könne, als Europa sich dem legitimen Einflusse Frank⸗ 
reichs entziehen könnte.“ Darum muß die eigensinnige Politik der 
letzten 20 Jahre, die Alles dazu beigetragen hat, diesen unüber— 
windlichen Zauber des , ascendant frangais“ zu brechen, daran 
zlauben! Die Thatsache 'ist da, augeuscheinlich und schlagend. 
Kaum sind zwei Jahre herum seit den entsetzlichen Widerwärtig⸗ 
keiten, und Europa, beunruhigt, fast versucht zu vergessen, daß 
gestern Jemand Sieger war, hält bereits Umfrage, wo Frankreich 
ist; — und das gegenwärtige Jahr, dies 1872, das beiläufig den 
Berliner Congreß gesehen, schreibt sich stürmisch in die Annalen 
unter der Bezeichnung ein: „das Jahr der französischen Anleihe.“ 
— Fragen wir nach mehr ? Gewiß nicht. Das Irrenhaus Euro⸗ 
pas ist fertig. In seiner bevorzugtesten Zelle macht Gambetta 
Toilette. Draußen vor der Thür präsentirt sich als der Portier 
in Mann, der auch einem Hause von Vernünftigen hätte vor⸗ 
stehen können, der aber diesem interessanten Posten den Vorzug 
giebt — Herr Adolf Thiers. 
Frankreich. 
Paris, 18. Nov. Es wird versichert, Thisers begün⸗ 
stige weitgehende constitutionelle Vorschläge, namentlich die Be— 
zründung einer Zweiten Kammer und die Bestätigung der Ver⸗ 
längerung seiner Präsidentschaft durch den Act eines Plebiscits 
oder durch die Generalräthe. Auf der heutigen Börse wurde leb⸗ 
haft ein Artikel der „Republique française“ besprochen, welcher 
diejenigen Bankiers als Reactionäre denuncirt und bedroht, die 
angeblich nach Bekanntwerden der Thiersschen Botschaft bedeutende 
Verkäufe bewerkstelligt hätten, um eine Panik zu erzeugen. 
(Tel. d. „N. 3.“) 
Die telegraphische Nachricht, daß Thiers ein unbedingtes 
Bertrauensvotum von der Nationalversammlung fordere, wird durch 
Berichte aus Versailles und Paris bestätigt. Der Präsident, so 
heißt es in diesen Mittheilungen, habe unmittelbar nach der Sitzung 
bom 18. den Ministern eröffnet, er könne sich mit einem so 
„dürftigen“? Vertrauensvotum nicht begnügen, und müsse seine 
Tntlassung nehmen. Natürlich fanden in Folge dieser Ertlärung 
wiederholle Ministerconseils statt; zuletzt ließ Thiers sich von den 
Ministern bestimmen, mit der angedrohten Demission nicht offiziell 
hervorzutreten. So lauten diese Berichte, die, falls sie verläßlich 
find, nur eine Wiederholung des schon oft gebrauchten Pressions- 
mittels melden würden. Die Regierung, so heißt es weiter in 
den Pariser Nachrichten, vom 19. wollte zunächst die Wahl der 
Commission zur Prüfung des Kerdrell'schen Antrages abwarten. 
Allerdings hat diese Wahl seitdem die numerische Ueberlegenheit 
der Rechten dargethan, man glaubt aber dennoch, daß ein partieller 
Fonstifutionsantrag, vierjährige Präsidentschaft, als dringlich cin-⸗ 
— IJ Qnna ν α 
ennzeichnen übrigens die abenteuerlichsten Gerüchte, wie wir deren 
chon anführten, die Bedenklichkeit der gegenwärtigen Crisis. In 
iner Parteiversammlung der Rechten soll. dem Frangois“ zu⸗ 
olge, die Idee aufgetaucht sei, den Marschall Mac⸗ Mahon zum 
Thef der Regierung zu ernennen; die äußerste Rechte habe zwei 
Deputirte an den Grafen von Chambord abgesandt, um ihm Be— 
richt über die Lage der Dinge zu erstatten; auch die Bonapartisten- 
Führer zeigten sich seyr rührig, und hätten in einer Generalver⸗ 
ammlung, nach deren Schluß Telegramme an den Exkaiser abge— 
chickt wurden, über den Stand der Dinge Rath gepflogen. Alle 
diese Sensationsgerüchte, welche das Thun und Treiben der ver⸗ 
scchiedenen monarchischen Fractionen in so grellen Farben schildern, 
verden wohl wie Seifenblasen verschwinden, falls Thiers — wie 
mit aller Wahrscheinlichkteit vorauszusehen — auch aus dieser 
Trisis siegreich und mit neu gestärkter Gewalt hervorgehen sollte. 
Der Namenstag der Kaiserin Eugenie wurde von 
den Bonapartisten doch am 15. Nov— gefeiert.' Der Hauptgottes- 
dienst fand in der Kirche Saint Augustin (Boulevard Malesherbes) 
tatt. Die Hauptanhänger der napolesnischen Familie hatten sich 
dort um 11 Uhr eingefunden. Man bemerkte den Admiral Rigault 
de Genouilly, Pietri, den ehemaligen Polizei-Präfekten, die Depu⸗ 
tirten Rouher⸗ Prax-Paris, Gavini und Galloni d'Istria, den 
Admiral Choppart, die ehemaligen Minister Pinard und Cherau, 
die beiden Damen Rouher, die Gräfin de Clary und viele Andere. 
Auch einige Bläusenmänner waren erschienen. — Das Ganze ver⸗ 
lief, ohne baß die Ruhe gestört wurde. Die Polizei hatte aber 
doch Vorsichtsmaßregeln getroffen. Auch waren gestern 358 geheime 
Agenten nach Boulogne und Calais gesandt worden um die zu 
überwachen, welche sich nach Chislehurst begeben. „Paris Journal“ 
machte sich den Tag zu Nutzen, um Edmond About in seinem 
wahren Lichte zu zeigen. Es veröffentlicht nämlich den Prolog zu 
einem Stücke, welche der Neu⸗Republikaner 1866 für den Hof 
bon Compiegne schrieb und worin er das „arn.e Spanien“ beklagt, 
daß Frankreich ihm seine schönste Blume geraubt. 
England. 
London, 18. Nov. Eine reiche katholische Dame, Frau 
Ztapleton Bretherton, hat ihren großen Landsiz Ditton-hall bei 
Prescott in Lancashire zur Verfügung der aus Deutschland ver⸗ 
riebenen Jessuitenn gestellt. Dem Vernehmen“ nach werden dort 
im Laufe der nächsten Wochen zahlre che Jesuiten und Jesuiten 
röglinge erwartet,* 
Spanien. 
Madrid 15. Nop. Aus Perpignan wird hierher 
zgemeldet, daß 23 aus Marseille angelangte Kisten mit Gewehren 
die für die Carlisten bestimmt waren, dort am Bahnhofe von den 
Behörden in Beschlag genommen worden sind. 
Amerika. 
New-York, 20. Novb. Die Tabakdepots von New,Jerfen 
vurden durch Feuer eingeäschert. Der Berlust beläuft sich auf 
eine Million Dollars. 
Voston, 20. Nov. Eine abermalige Feuersbrunst verur⸗ 
tachte einen Schaden von 350. 000 Dollars. 
Vermischtes. 
— Besser, als alle bisher angewandten Mittel, wird die jetzt 
eingetretene nasse Witterung den Mäusen zu Leibe rücken. In 
melchen Massen sie bisher immer noch auf unseren Feldern haus— 
ten, davon mag die Thatsache Zeugniß geben, daß in der Ge⸗ 
meinde Haßloch allein binnen vier Wochen 120,000 Stück gefangen 
wurden, wofür die Gemeindekasse etwa 2000 fl. vergütete. 
'Frankfurt, 16. NRov. Die Gehalte der ordentlichen 
Lehrir hiesiger Stadt ssollen nach Beschluß des Magistrats, dem 
die Stadtberordneten noch zuzustimmen haben, wie folat normirt 
werden: 
Mark fl. fr. Mark fl. kr. 
l Kl. 5900 3441 40 3200 8616 40 
2. 53200 3088 20 5500 8208 20 
24300 2625 — 4800 2800 — 
4200 2450 — 4500 2625 — 
3500 2041 40 3800 2216 40 
2800 1633 20 3100 1808 20 
2500 1458 20 2800 16383 20 
1200 1050 — 2100 1225 — 
2700 1575 — 3000 1750 —. 
Deu Lehrern der 1.—7. Klasse soll vom 1.—8. Dienstjahre inch 
)er geringste, vom 6. —10. incl. der mittlere, vom 11. Dienst 
ahre an der höchste Satz der Klasse bezahlt werden, die Lehret 
der 8. al. sollen in den ersten 8 Diensijahren den geringsten Ge⸗ 
halt ihrer Klasse beziehen und nach je weiteren 5 Dienstjahren in 
die nächste höhere Dienstklesse einrücken. Unter der Bezeichnung 
Lehrer sind auch die Dirigenten der Schulanstalten (Direktor, In⸗ 
vektor. Oberlehyrer) verstanden. 
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